Ni Hao China #2

Die Sonne scheint einem ins Gesicht, reflektiert von hunderten Fenstern der Hochhäuser welche sich links und rechts in den blauen Himmel strecken. So reise ich durch die Häuserschluchten, welche durch den Bauboom stetig wachsen, wenn auch einige Bezirke ohne die erwarteten Einwohner noch wie Geisterstädte auf mich wirken. Aber dank der chinesischen Stadtplanungen gibt es auf den Hauptrouten immer eine extra Spur für Fahrrad Fahrer. Naja eigentlich eher für die Massen an Roller Fahrern, aber es lässt sich doch überraschend relaxt in dem Wirrwar von Rollern vorankommen. So ist das Zentrum dieses Wirrwars der Region, Chengdu erreicht und doch sind die Nerven langsam ausgereizt. Der Effekt des vielen Verkehr bringt etwas mit sich, was einen als Fahrrad Fahrer manchmal wahnsinnig macht. Denn ein chinesischer Autofahrer hupt gefühlt 1000mal am Tag. Sei es vor jeder Kurve, bei jedem Überholmanöver oder dass man viel zu schnell durch Ortschaften fährt (Dauerhupen damit ja die anderen Platz machen, anstatt mal zu bremsen). In der doch erheblichen Masse der motorisierten Chinesen, ein echt nervender und ohrenschmerzender Effekt.
Doch Chengdu mit seinen uber 14 Millionen Einwohnern gefällt mir auf Anhieb. Für eine Großstadt echt Fahrrad freundlich, niedrige Preise für Unterkunft und eine Menge lokaler Spezialität lassen mich erfreuen und zu einigen Ruhetagen hinreißen. Es wird am Fahrrad geschraubt, Ausrüstung ergänzt, neue Weltenbummler kennengelernt, die Musikbars der Stadt abgeklappert und somt der erste Kater vom lauen chinesischen Bier ausgestanden. Reisealltag halt😉


Etwas südlich wird noch ein Besuch in Leshan fällig, denn hier sitzt der weltgrößte Buddha, mit seinen 71 Metern, in den Flussklippen eingemeißelt. Dank einer netten Bekanntschaft, weiss ich auch nicht wie es so schnell kam, aber bald steht man auch schon in einem College-Klassenzimmer und erzählt über seine Reise, muss ein deutsches Lied singen und macht eine Menge Selfies (chinesischer Volkssport😅). Bei so vielen jungen Chinesen und einem Übersetzer, wollte ich auch diese Situation nutzen um mehr von der "chinesischen Mentalität" zu erfahren. Bei einer Frage von mir und deren Antwort, war ich dann aber doch verblüfft. "Was sind denn Eure Ziele in den nächsten Jahren? ", fast im Chor kam aus den Reihen, "Money, Money, Money".

Hier scheint mir doch der Kapitalismus hat eine große Rolle unter dem "Hammer und Sichel"- Staat. Generell scheint mir, dass der Chinese sich selbst am nächsten ist. Von ungezwungenem Gemeinschaftsgefühl scheint der "normale" Chinese, nichts zu haben.

Wie immer gibt es genug Ausnahmen, aber bis dato gab es kein Land welches so wenig Interesse oder Unterstützung eines Reisenden hervorbringt wie hier.

Dies ist natürlich keine Pflicht, soll es auch nicht sein, aber fällt mir auf meiner Reise durch dieses Land doch prägnant auf.


Der Weg nach Kunming im Süden, die letzte Millionenstadt für mich in China, erlebe ich mal wieder mit gemischten Gefühlen. Wie so meist versuche ich eine Routenplanung hinzubekommen, welche mir die ländliche Landschaft und die Natur von China zeigt.
Dies stellt sich doch schwierig dar, wenn man auf einmal vor einem Schild steht, "Aliens not allowed...". Da ich ein "Alien ohne Permit" bin, heisst es umplanen und weiter gehts.
Weite Strecken sind in China zu überbrücken, somit geht es 10 Tage durch die Berglandschaft von Yunnan. Viele Höhenmeter, Nebel, Regen, Verkehr und wenig kommunakationswillige Einwohner begegnen mir. Der Verkehr stellt sich als größter Motivationskiller heraus. Massen von LKWs durchstreifen die Region, denn der Chinese liebt ja Grossbauprojekte. So wird eine Autobahn quer durch die Berge gebaut, um das grosse Ziel der durchgängigen und schnellen Infrastruktur zu erreichen. Schon beeindruckend wie viele Brücken, Tunnel und Strassenkilometer hier entstehen, sowas habe ich in Europa in dem Ausmaß noch nie gesehen. Aber mal wieder Schade um die Naturbelassenheit und um die Radler, welche sich in der Bauphase durch die Region schlängeln. Naja außer mir habe ich auch ehrlich gesagt keinen getroffen😅


Und wie das Abenteuer einem so mitspielt, erlebe ich mitten in der Pampa meinen schlimmsten "Platten-Tag". 5 Platten an einem Tag🤯. Ein netter und langer Nagel war als erstes der Auslöser der Serie. Dieser hat den Schlauch mehrfach durchlöchert. Der Ersatzschlauch erleidet einen Riss nach wenigen weiteren Kilometern. Mein zweiter Ersatzschlauch hat notgedrungen der Auswahl im letzten Fahrradshop ein anderes Ventil, welches nun nicht mehr durch die Felge passt🙄. Alle Flicken werden eingesetzt, doch kein Schlauch will mehr so recht dicht werden. Es wird sich in die nächste "Stadt" geschleppt, wo natürlich kein Radladen in Sicht ist. Klar wer fährt hier auch schon Fahrrad!?
Aber in der Moped-Schmiede, wird nebst Massenauflauf von Gaffern, die Felge aufgebohrt und ein Schlauch neu vulkanisiert. Und dies ohne dass Geld von mir akzeptiert wird. China überrascht mich mal wieder.
Damit dies nicht wieder passiert, wird sich nun in Kunming neu mit allem nötigen eingedeckt.
Aber nicht nur Equitment wird eingesammelt, nein auch meine erste Erkältung auf dem Trip. So verbringe ich mehr Zeit in Kunming als geplant, was leider auf das schon beantragte Visum für Vietnam Auswirkungen hat. Dieses Visa ist datiert, und somit verlasse ich doch die Stadt schon bevor ich komplett auskuriert bin.
Somit werden weiter Kilometer Richtung Süd-Ost Asien gemacht, wobei eine Einladung als Englisch-Gastlehrer für eine Vorschulklasse doch Abwechslung bringt. Die Temperaturen werden immer höher und bringen mich nun auch langsam, ohne dass ich auf dem Rad sitze, ins schwitzen. Aber ich wollte ja wieder Sommer😉
Die Natur wird nun auch links und rechts der Wege, von Dschungrlartigen Verhältnissen geprägt. Vorbei an Reisfeldern, Bananenplantagen, Wasserbüffeln und verduzten Einheimischen geht es nun an die Grenze.
Nach über 3000km geradelten Kilometern in China heisst es nun Abschieb nehmen, von einem Land welches mir mit einer grossen Facette von verschiedensten Eindrücken und Gefühlen in Erinnerung bleibt.
So Facettenreich meine Erlebnisse auch waren, so bereiste ich eigentlich nur einen kleinen Teil dieses riesigen Landes. Ich kann nicht erahnen was man hier noch so alles erleben kann und darf.


LG

René